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Erste Versuche, die genaue Entfernung der Erde zur Sonne zu messen, wurden bereits in der Antike unternommen. Empedokles (ca. 495-435 v. u. Z.) schätzte, dass die Sonne doppelt so weit von der Erde entfernt sei als der Mond. Der griechische Astronom Aristarch von Samos (ca 310-230 v. u. Z.) versuchte bereits den Abstand zu bestimmen, indem er den Winkel zwischen Sonne und Mond während der Halbmondphasen maß. Aus solchen Messungen leitete er die Entfernung der Sonne zu 20 mal der des Mondes ab. Damit lag er weit daneben. Der starke Fehler entstand durch die Ungenauigkeit der Beobachtungsmethode.
Um aus dieser Verhältniszahl die Sonnenparallaxe zu berechnen, wurde später die Methode angewandt, die auf dem Satz beruht, daß die Summe der Sonnen- und der Mondparallaxe gleich der Summe der scheinbaren Halbmesser des Erdschattens und der Sonne ist. Der Halbmesser des Erdschattens wurde durch Beobachtungen von Mondfinsternissen gefunden. Ptolemäus leitete schließlich eine Entfernung von 1200 Erdradien ab, was etwa 7,6 Mill km entspricht. Dieses Resultat wurde vierzehn Jahrhunderte hindurch als richtig betrachtet. Erst Kepler und seine Zeitgenossen sahen klar, dass die Distanz größer sein musste. Aber selbst Keplers Schätzung von 22 Mill. km war immer noch mehr als sechsmal zu klein.
In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entwickelte man eine neue Methode zur Entfernungsbestimmung. Sie beruht auf der Messung der Parallaxe eines der Erde nahe kommenden Planeten. Planeten wie Merkur, Venus oder Mars kommen der Erde manchmal viel näher als die Sonne und haben daher eine weit größere und leichter messbare Parallaxe. Kennt man diese Parallaxe, dann lässt sich über die Keplerschen Gesetze daraus auch die Sonnenparallaxe ermitteln.
Den ersten Versuch unternahmen französische Astronomen mit dem Planeten Mars. 1671 ging eine Expedition unter Richer nach Cayenne, welche Positionsbestimmungen des Mars zur Zeit der Opposition im Jahre 1672 machte, während zur gleichen Zeit Beobachtungen an der Pariser Sternwarte gemacht wurden. Der Unterschied der beiden scheinbaren Positionen, auf denselben Zeitpunkt reduziert, gab die Parallaxe des Mars. Cassini (1625-1712) leitete aus diesen Beobachtungen die Sonnenparallaxe 9,5'' (rund 140 Mill. km) ab. Noch nie zuvor war man dem korrekten Wert so nahe gekommen.
1677 kam Sir Edmond Halley (1656-1742), nachdem er einen Merkurdurchgang beobachtet
hatte, die Idee, dass sich mit Hilfe solcher Transits, die Entfernung der Sonne von
der Erde genau bestimmen lassen müsste. Vorausgesetzt, man würde an verschiedenen,
weit voneinander entfernten Orten die Zeitpunkte des Eintritts und Austritts des
Planeten vor der Sonnenscheibe genau messen.
Da Merkur viel weiter entfernt ist, die
Merkurparallaxe also viel kleiner ausfällt als die der Venus, schlug er vor, die
Venustransite zur exakten Bestimmung der astronomischen Einheit zu benutzen.
Bereits im Jahre 1716 richtete er einen Aufruf an die Royal Society, die
bevorstehenden Venusdurchgänge zu beobachten.
PHILOSOPHICAL TRANSACTIONS VOL. XXIX (1716) A new Method of determining the Parallax of the Sun, or his Distance from the Earth; by Dr. Halley
1761 folgten viele Astronomen Halleys Aufruf. Weltweit wurde an mehr als 100 Orten
beobachtet. Die Transitbeobachtungen vom 6. Juni 1761 brachten jedoch nicht die
gewünschten Ergebnisse, (die Werte schwankten von 8,5'' bis 10,5'') da das Phänomen des "Schwarzen Tropfens" (auch Bailyscher Tropfen)
die Messungen verfälschte.
Exakte Messungen sind abhängig von der genauen Erfassung der Kontaktzeiten.
Das Phänomen des "Schwarzen Tropfens" aber, das bei der
visuellen Transitbeobachtung auftritt, eine Beugungserscheinung des Lichts, erschwert die genaue Beobachtung des Moments
der inneren Berührung (2. Kontakt). Wenn die dunkle Planetenscheibe in die hell
leuchtende Sonnenscheibe eintritt, scheint sich zwischen den Sonnenrand und
den Planeten ein dunkler Tropfen zu schieben, der nach kurzer Zeit plötzlich
zerreißt, woraufhin der Planet in einiger Entfernung vom Rand erscheint. Eine
ähnliche Wahrnehmung macht man beim Austritt des Planeten.
Eine überraschende Beobachtung machte der russische Wissenschaftler Michail Lomonosov (1711-1765), der den Venusdurchgang in St. Petersburg mitverfolgt hatte. Als die Venus langsam den Sonnenrand erreichte, also zwischen erstem und zweitem Kontakt, sah er einen haarfeinen Lichtrand um jenen Teil des Planeten, welcher sich noch außerhalb des Sonnenrandes befand. Lomonosov schloß daraus, das es sich um Sonnenlicht handelt, dass von der Atmosphäre des Planeten Richtung Erde umgelenkt wurde. So gesehen entspricht es dem aschgrauen Licht, das wir auf den unbeleuchteten Teilen des Mondes wahrnehmen können. Es ist das Sonnenlicht, das durch die Erdatmosphäre auf die dunklen Teile des Mondes gelenkt wird. Theorien über eine mögliche Venusatmosphäre gab es bereits. Aber Lomonosov war der erste, der sie gesehen hatte.
Die exakte Bestimmung der Sonnenparallaxe zählte gemeinsam mit der Längenbestimmung auf See zu den wichtigsten astronomischen Problemen jener Zeit. Viele Jahrhunderte versuchten berühmte Astronomen wie Galileo Galilei, Cassini, Huygens und Sir Isaac Newton, eine astronomische Lösung des Längengradproblems zu finden. Ohne eine verlässliche Kenntnis der Länge bestand ein großes Navigationsrisiko, das oft zum Verlust zahlreicher Menschenleben, von Schiffen und manchmal großen Teilen einer Flotte führte.
Zur Bestimmung der Länge benötigt man nämlich die Bestimmung der lokalen Zeit, in der Regel mittels Sonnenbeobachtungen, und die Bestimmung der Weltzeit, z. B. anhand eines astronomischen Ereignisses, das für alle Orte der Welt gleichzeitig eintrifft. Etwa eine Mondfinsternis.
Immer wieder wurden Belohnungen ausgesetzt und in Paris, London und Berlin wurden Sternwarten eigens zu dem Zweck errichtet, das Längengradproblem zu lösen.
Bereits 1499 hatte Amerigo Vespucci die Idee, die Mondbewegungen für die Positionsbestimmung zu nutzen. Diese Methode der Monddistanzen, 1514 auch von dem deutschen Astronomen Johannes Werner erneut vorgeschlagen, war eine gute Idee, aber die Kenntnis des genauen Mondortes, eines der schwierigsten Probleme der Astronomie, war damals noch unzureichend dafür. Galilei der 1610 die Jupitermonde entdeckt hatte, schlug die Jupitermondverfinsterungen zur Ermittlung des Längengrades vor. Auf hoher See hat sich diese Methode zwar nie durchgesetzt, sehr wohl aber an Land. Giovanni Domenico Cassini veröffentlichte 1668 die bislang genauesten Tabellen zur Vorhersage der Jupitermondverfinsterungen, mit deren Hilfe die Länge ermittelt wurde.
Am 8. Juli 1714 setzte das englische Parlament eine riesige Belohnung aus. Im Longitude Act, der unter Königin Anne erlassen wurde, waren drei Preise ausgeschrieben:
20 000 Pfund für eine Methode, nach welcher man die geographischen Länge bis auf einen halben Grad genau erhalte.
15 000 Pfund bei einer Abweichung von zwei Drittel Grad.
10 000 Pfund bei einer Abweichung von einem Grad.
In Frankreich wurde ebenfalls ein hoher Preis ausgesetzt um die Wissenschaftler anzuspornen. Mechaniker machten sich ans Werk präzisere Chronometer zu bauen und Mathematiker und Astronomen bemühten sich die Theorie des Mondes und die Mondtafeln zu verbessern.
Tobias Mayer (1723-1762) erstellte 1752 Mondtabellen, die alle früheren übertrafen. Der Königliche Astronom James Bradley (1693-1762) überprüfte diese Tabellen und stellte fest, dass Mayer sich nie um mehr als anderthalb Bogenminuten geirrt hatte. Und das bedeutet, dass man die Länge bis auf einen halben Grad genau bestimmen kann. So bekam die Methode der Monddistanzen neuen Auftrieb.
Im Jahre 1761 wurde Nevil Maskelyne (1732-1811) von der Royal Society auf eine Venustransit-Expedition geschickt. Das Ziel war die Insel St. Helena. Das Wetter war leider sehr schlecht. Immer wieder verdeckten Wolken die Sonne und Maskelyne konnte Venus nur zwei Mal sichten. Das erste Mal reichte gerade nur zum Staunen über die Größe und Position der Venus. Die zweite Lücke konnte er aber zu einer Messung mit einem Dollondschen Objektiv-Mikrometer nützen. "An Account of the Observations made on the Transit of Venus, June 6, 1761, in the Island of St. Helene"; In a Letter to the Right Honourable George Earl of Macclesfield, President of the Royal Society, from the Rev. Nevil Maskelyne, M. A. and F. R. S. (pdf) Quelle: Gallica
Maskelyne hatte aber noch einen weiteren wichtigen Auftrag zu erfüllen. Er sollte die Überfahrt nutzen um die Genauigkeit der Mayerschen Tabellen auf See zu überprüfen. Maskelyne zeigte sich nach seiner Rückkehr begeistert und obwohl die im übrigen noch unausgereifte Methode der Monddistanzen höchste Anforderungen an die Navigatoren stellte, sprachen sich Admiräle und Astronomen der Längenkommision für sie aus. Besonders Maskelyne setzte sich fortan für diese Methode der Zeitbestimmung ein.
Die Lösung des Problems kam aber letztlich von anderer Seite. Im Jahre 1735 hatte der Uhrmacher John Harrison seinen ersten Schiffschronometer fertiggestellt, die heute berühmte H1, 32 kg schwer und fast einen Meter hoch. Es folgten weitere Modelle. Der Durchbruch gelang 1759 mit der Fertigstellung der H4. Diese Uhr, die Harrison am Ende den Längengradpreis eintrug, war mit einem Durchmesser von 12 Zentimetern, jetzt nicht mehr viel größer als eine Taschenuhr. Die H4 wurde auf einer Schiffsfahrt 1761/1762 nach Jamaika getestet. Die Reise dauerte 81 Tage und während dieser Zeit hatte Harrisons H4 nur 5 Sekunden Zeit verloren.
Seit mit Harrison sekundengenaue Uhren seetauglich wurden, ist der Chronometer fixer Bestandteil der astronomischen Navigation.
Links: "John Harrison and the Longitude problem" (National Maritime Museum)
ADS - Artikel
Literatur: Längengrad, Dava Sobel und William J. H. Andrewes; Berlin Verlag 1999
Abbildung 1: Das Phänomen des "Schwarzen Tropfens"; Skizze von
Torbern Olof Bergman (1735-1784). (Venustransit 3 Juni 1769)
Bildquelle: Committee for Philosophy and the Sciences
Abbildung 2: Das gleiche Phänomen ist auch auf der Zeichnung von
F. Allerding zu erkennen, der den Venustransit vom 9. Dezember 1874 in
Sydney, Australien beobachtete.
Bildquelle: U.S. Naval Observatory
Abbildung 3: John Harrisons H1
Bildquelle: National Maritime Museum, Greenwich, London
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