Moriz von Kuffner wurde am 30. Jänner 1854 in Ottakring als Sohn von Ignaz Kuffner und dessen zweiter Frau Rosalie geboren. Moriz Schwester Katharina kam am 29. Juni 1862 zur Welt. Sein Halbbruder Karl starb bereits 1863 im Alter von 13 Jahren, sein Bruder Victor 1872 im 15. Lebensjahr.
Moriz Vater Ignaz und dessen Cousin Jacob Kuffner kamen aus Lundenburg (heute Břeclav in Tschechien) und kauften 1850 eine von Heinrich Plank im Jahre 1837 gegründete Brauerei in Ottakring.
Bekannt und beliebt waren die Kuffners aufgrund ihres sozialen Engagements.
Im Jänner 1867 wurde Ignaz Kuffner "in Anerkennung seines gemeinnützigen und patriotischen Wirkens" das Ritterkreuz des Franz-Joseph Ordens verliehen. Anlässlich dieser Auszeichnung, ermöglichte Kuffner mit einer Spende unter anderem den Bau einer ersten "Kommunal-Kinderbewahranstalt" in Ottakring, in der Kinder ohne Unterschied der Konfession aufgenommen wurden. Die
Einweihungsfeier der Kinderbewahranstalt fand im August 1868 statt.
Von 1869 bis 1876 war Ignaz Kuffner Bürgermeister von Ottakring. In dieser Zeit so Karl Schneider, "begann für Ottakring erst die Zeit freier ungehemmter Entwicklung" [Ref. 1.), Seite 472] Während Kuffners Amtszeit erlebte der Vorort von Wien einen Aufschwung. Die Verkehrssituation wurde verbessert, Schulen erbaut und die Freiwillige Feuerwehr gegründet.
Am 19. Dezember 1873 wurde Ignaz Kuffner Ehrenbürger von Ottakring und nach einem Beschluss vom 11. April 1878 wurde er mit dem Ehrenwort "Edler" in den Adelsstand erhoben. Ignaz Edler von Kuffner starb am 23. März 1882.
Moriz von Kuffner studierte an der Technischen Hochschule in Wien und trat dann in das Familienunternehmen ein, welches er später gemeinsam mit Jacob Kuffners Söhnen sehr erfolgreich leitete. Am 17. Februar 1891 heiratete Kuffner Elsa Holitscher. Ignaz, der erste Sohn des Paares, kam am 11. Jänner 1892 zur Welt, die Zwillinge Johann (Hans) und Stephan am 9. Jänner 1894.
Moriz von Kuffner
Bild: Moriz und Elsa von Kuffner-Stiftung
Moriz von Kuffner trat nicht nur im Unternehmen an die Stelle seines Vaters. Er führte auch die soziale Tradition der Familie weiter, indem er etliche wohltätige Institutionen ins Leben rief. Unter anderem gründete er eine Stiftung für Verunglückte der Freiwilligen Feuerwehr oder deren Hinterbliebene. Moriz von Kuffner, der jahrelang Obmann der Freiwilligen Feuerwehr Ottakring war, wurde im September 1907 im Rathaus mit der Ehrenmedaille für seine 25jährige Tätigkeit auf dem Gebiet des Feuerwehr- und Rettungswesens ausgezeichnet.
Nachdem seine Schwester Katharina 1884 anlässlich ihrer Vermählung mit Moritz Oppenheim 10.000 Gulden für eine Filiale der Kommunal-Kinderbewahranstalt in Ottakring spendete, erklärte sich Moriz von Kuffner gleichzeitig bereit, das Gebäude auf seine Kosten bauen zu lassen, falls die Gemeinde dafür ein Grundstück bereit stellen würde [Ref. 1.), Seite 643]. Die neue Einrichtung Ecke Seitenberg- und Arnethgasse wurde bereits am 31. Dezember 1885 eröffnet. Dieses Gebäude wurde übrigens ebenso wie die Kuffner Sternwarte vom Architekten Franz v. Neumann jun. entworfen. ➤ Hier ist der Grundriss zu finden (ANNO).
Im Jahr 1892 ließ Moriz von Kuffner vom Architekten Franz Neumann jun. auf dem jüdischen Friedhof von Lundenburg eine Zeremonienhalle sowie Nebengebäude errichten.
Ab 1900 war Kuffner einige Jahre im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Zudem war er jahrelang Präsident des Kuratoriums der Israelitisch-Theologischen Lehranstalt in Wien.
Kuffner war unter anderem Ehrenmitglied des Vereines Settlement (dem er das erste Quartier zur Verfügung stellte), Mitglied des "Wissenschaftlichen Klubs", des Elektrotechnischen Vereins, des Ornithologischen Vereins, der Musikfreunde, des Industriellenklubs und des Österreichischen Automobilklubs. Außerdem war der vielseitig interessierte Unternehmer Mitglied des 1894 gegründeten Vereins für Österreichische Volkskunde, der das Ziel verfolgte ein entsprechendes Museum zu gründen. Kuffner unterstützte diesen Verein, der übrigens noch heute Rechtsträger des Österreichischen Museums für Volkskunde in Wien ist, mit einem Gründungsbeitrag. Moriz von Kuffner der im Ausschuss des "Naturwissenschaftlichen Orientvereins" und förderndes Mitglied der Geographischen Gesellschaft war, gewährte auch dem Geograph und Orientalisten Alois Musil Geldmittel für seine Forschungsreisen.
Kuffner war auch ernsthaft an Philosophie, früher englischer und französischer Originalliteratur, Nationalökonomie, Mathematik, Physik und Kunst interessiert. Er besaß eine beachtliche Kunstsammlung. Unter den Werken befanden sich auch einige Zeichnungen von Rembrandt. Laut Douglas W. Freshfield nannte Kuffner außerdem eine bedeutende Sammlung von Gravierungen und Holzschnitten von Albrecht Dürer sein Eigen [Ref. 3.), S. 312].
Die Erbschaft nach seinem Vater schuf die solide wirtschaftliche Grundlage, die es Kuffner ermöglichte, auch seinen wissenschaftlichen Ambitionen nachzugehen und schließlich sogar eine Sternwarte zu bauen. Die Anregung dazu kam 1883 von Norbert Herz, der damals noch Assistent an der Technischen Hochschule in Wien war.
Nach einer Schätzung von Herz, dem ersten Direktor der Sternwarte, hatte Moriz v. Kuffner bis 1892 etwa eine Million Kronen in die Sternwarte investiert; einschließlich der auch von ihm bezahlten Gehälter gab er laufend etwa ein Fünftel seines Einkommens für die Sternwarte aus [Ref. 2.), Seite 18]. Kuffner übernahm auch die Kosten für den Druck der wissenschaftlichen Publikationen.
Vom 24. bis 28. September 1894 fand in Wien die 66. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte statt. Im Rahmen dieser Tagung lud Moriz von Kuffner die Teilnehmer der Sektion "Astronomie und Geodäsie" am 26. September auf seine Sternwarte ein. Unter den zahlreichen Besuchern waren auch die Direktoren Seeliger aus München und Weiß aus Wien. Die Neue Freie Presse berichtete: "Nachdem unter der Führung des Direktors dieser Sternwarte, Dr. Leo de Ball, die interessanten Einrichtungen und Instrumente studiert worden waren, verweilten die Erschienen noch längere Zeit bei Herrn v. Kuffner, der, unterstützt von seiner Gemahlin, in herzlichster Weise die Honneurs des Hauses machte."
Im Jahr 1894 wurde Moriz von Kuffner auch Mitglied der Astronomischen Gesellschaft. An der 22. ordentlichen Versammlung der Astronomischen Gesellschaft, die vom 15. bis 17. September 1908 in Wien stattfand, hat Kuffner sogar selbst teilgenommen. Und für den 16. September stand eine Besichtigung der Kuffner Sternwarte auf dem Tagungsprogramm.
Zwei der 1884 von Johann Palisa entdeckten Asteroiden erhielten ihre Namen von Moriz von Kuffner. Er nannte sie Kriemhild und Ida.
Die Teilnehmer der 22. Versammlung der Astronomischen Gesellschaft vor der Wiener Universitätssternwarte, 1908.
Moriz von Kuffners zweite große Leidenschaft waren die Berge. Er interessierte sich nicht nur für die Geschichte des Bergsteigens, sondern war in der Zeit zwischen 1880 und 1900 selbst auch ein bedeutender Bergsteiger. Kuffner war Mitglied des Österreichischen Alpenklubs, bestieg fast alle Viertausender der Alpen und schrieb viele Artikel für die Österreichische Alpen-Zeitung. Zu den bemerkenswertesten Expeditionen, die er fast alle gemeinsam mit dem bekannten Bergführer Alexander Burgener unternahm, gehören [Ref. 3.), S. 312]:
1883: 22. Juli, Piz Glüschaint, Erstbegehung über den Nordgrat; Aufbruch von der Roseg-Restauration um 2:15, um 7:15 auf dem Gipfel
1884: 8. August, Großglockner, Zweitbegehung über den Nordwestgrat und Erstbegehung des Teufelshorn über diesen Grat
1885: 17. Juli, Laquinhorn, Erstbegehung vom Laquintal aus und Erstabstieg vom Eiger über den Mittellegigrat
1887: Juli, Aiguille des Glaciers, Erstbegehung über den Südostgrat, sowie Erstbegehung des
Mont Blanc über den Tour Ronde Grat und Mont Maudit (2. - 4. Juli)
1888: Pelvoux, neue Route über den Glacier de la Violette
1890: 15. Juli, Portjengrat / Pizzo d'Andolla über den Ostgrat; um 9:15 auf dem Gipfel
1892: Bietschhorn, neue Route über den Baltschieder Glacier
1899: 22. August, Piz Palü, Erstbegehung des Ostgipfels über den Nordgrat
Zwei von Kuffners Routen wurden nach ihm benannt, der Kuffnergrat am Mont Maudit und der Kuffner-Pfeiler des Piz Palü.
Ein geruhsamer Lebensabend in Wien war Moriz v. Kuffner leider nicht beschieden. Wenige Monate nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland, im Sommer 1933, beging seine Schwester Katharina, eine großartige Pianistin, gemeinsam mit ihrem Mann Moritz Nathan Oppenheim in Frankfurt Selbstmord. Ihr Sohn Paul Oppenheim schrieb später dazu: "Aber am 9. Juni 1933 horchte das In- und Ausland auf, als meine Eltern freiwillig aus dem Leben schieden; sie wollten voller Würde dem Versuch entgehen, sie als Menschen minderen Grades zu brandmarken." [Ref. 4.), S. 380]
Am 10. Jänner 1938 verlor Moriz von Kuffner seine Frau Elsa, mit der er 47 Jahre lang glücklich gelebt hatte. Kurz darauf, Moriz von Kuffner war damals selbst schon schwer krank, starb am 4. Februar 1938 völlig überraschend sein ältester Sohn Ignaz, der seine Frau Helene und seine erst zehnjährige Tochter Vera hinterließ.
Wenige Wochen später, mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Österreich am 12. März, sah sich die Familie Kuffner - von der Gestapo massiv unter Druck gesetzt - dazu gezwungen ihre Heimat zu verlassen. Die Ausreise wurde erst genehmigt nachdem die Familie völlig ausgeplündert worden war. "Die Entziehung und Übereignung der Kuffner-Brauerei bzw. der "AG Ignaz Kuffner und Jakob Kuffner für Brauerei, Spritus und Presshefefabrikation" im April 1938 gilt als einer der bedeutendsten "Arisierungs"-Fälle." [Ref. 5.), S. 278] Bereits am 8. April 1938 wurde der Kaufvertrag für die damals sechstgrößte Brauerei Österreichs unterschrieben. Allerdings verzögerte sich die Abwicklung des Geschäfts, da mehrere Behörden, die zudem oft unterschiedliche Interessen verfolgten, dem Kauf erst zustimmen mussten. Um Druck auf die Familie auszuüben, wurden Moriz und Stephan von Kuffner vermutlich Anfang Mai 1938 von der Gestapo verhaftet. Auch andere Familienmitglieder wurden massiv eingeschüchtert. Am 10. Mai beschlagnahmte die Gestapo das gesamte Vermögen der Familie Kuffner wegen "staatsfeindlicher Betätigung". Moriz und Stephan von Kuffner mussten sich bereit erklären 35% ihres Vermögens dem Staat zu überlassen und der "Aktion Gildemeester" beizutreten. Um ungehindert ausreisen zu können, mussten sie zudem eine sehr hohe Reichsfluchtsteuer bezahlen und all ihre Liegenschaften und Liegenschaftsanteile einem Treuhänder übergeben. Am 4. Mai 1939 verfügte die Gestapo schließlich die gewaltsame Übertragung der Liegenschaften von Moriz und Stephan von Kuffner an den Auswanderungsfonds Wien (Nachfolgeinstitution der "Aktion Gildemeester"). Unter den entschädigungslos "arisierten" Liegenschaften befand sich auch die Kuffner-Sternwarte.
Am 13. Juli 1938 wurde Moriz von Kuffner von seinem Sohn Stephan nach Bratislava gebracht, von wo aus sie wahrscheinlich am 7. oder 8. August 1938 in die Schweiz flüchteten. Moriz von Kuffner starb 85jährig am 5. März 1939 in Zürich.
➤ Viele seiner Verwandten wurden im Holocaust ermordet. Von den Überlebenden sind nur wenige nach Österreich zurückgekehrt.
Die Zwillingsbrüder Hans und Stephan Kuffner blieben ledig. Hans starb 1973 in Lausanne, Stephan 1976 in Zürich. Kuffners Enkelin Vera heiratete 1964 Walter Eberstadt. Vera Eberstadt starb 2014 in New York. Ihre beiden Söhne Michael und George und die vier Enkelkinder Max, Zoe, Maya und Esme sind die einzigen Nachfahren von Moriz und Elsa von Kuffner.
Stephan Kuffner war ebenfalls ein begeisterter Bergsteiger. Schon in seiner Jugendzeit hatte er seinen Vater auf Touren durch die Alpen begleitet.
Laut D. F. O. Dangar ging er noch im Jahr 1961 20 mal seine Lieblingstour hinauf zur Segantini Hütte. Im gleichen Jahr bestieg er außerdem den Piz Palü [Ref. 6.), S. 269-270]. Da er sich bei der Schweiz für das Asyl bedanken und besonders den BewohnerInnen der Bergregionen helfen wollte, gründete er im Jahr 1960 die ➤ "Moriz und Elsa von Kuffner-Stiftung". Diese Stiftung ist heute in der Schweiz eine wohlbekannte Institution, die einen bedeutenden Beitrag zum Wohl der Allgemeinheit leistet.