Historisches
Am 28. Mai 1607 glaubte Johannes Kepler (1571-1630) einen Merkurtransit gesehen zu haben. Tatsächlich aber war es ein Sonnenfleck, was Kepler erst ein paar Jahre später klar wurde. Und zwar als man das Teleskop erfunden und damit unter anderem auch die Sonnenflecken entdeckt hatte.
Im Jahre 1631 wurde dann zum ersten mal wirklich ein Merkurtransit beobachtet, unter anderem
auch in Österreich. In seinen 1629 veröffentlichten Ephemeriden, berechnete Johannes Kepler auf der Grundlage seiner Rudolfinischen Tafeln einen Merkurdurchgang vor der Sonne für den 7. November 1631, beobachtbar in Europa. Zudem machte er Astronomen in einer kleinen, 1630 erschienen Schrift (De raris mirisq[ue] Anni 1631) auf die bevorstehenden Planetendurchgänge aufmerksam.
Wegen schlechten Wetters, konnten nur vier Personen
1 das Schauspiel verfolgen. Einer davon war Pierre Gassendi (1592-1655) in Paris. Gassendi ließ die Sonnenstrahlen durch das Okular des Teleskops auf einen weißen Schirm im verdunkelten Zimmer fallen und betrachtete das projizierte Sonnenbild. Als scheinbaren Durchmesser der Merkurscheibe ermittelte er 20 Bogensekunden. Die unerwartet geringe Größe des Merkurbildes überraschte nicht nur Gassendi, sondern auch die anderen Beobachter. Das waren Remus Quietanus in Rouffach im Elsass, der Schweizer Johann Baptist Cysat der diesen Durchgang in Innsbruck (Tirol) mitverfolgte und eine nicht namentlich genannte Person (wahrscheinlich ein Schüler von Cysat) in Ingolstadt (Bayern). Gassendi erfuhr offenbar erst Anfang des Jahres 1633 von Cysats ehemaligen Lehrer Christoph Scheiner (1573-1650), dass er nicht der einzige erfolgreiche Beobachter war.
➤ Scheiners Brief in: Opera omnia. Band 6, Gassendi (Gallica). Kepler selbst hat leider nie einen Planetentransit gesehen.
Die Beobachtungen dieses Durchgangs lieferten wichtige Informationen zur damals noch recht ungenau bestimmten Merkurbahn. Basierend auf seinen Messungen, berechnete Gassendi, dass der Transit fast 5 Stunden früher begann, als vorhergesagt. Das entspricht einem Positionsfehler von etwas mehr als 13 Bogenminuten. Doch im Gegensatz zu Keplers Tafeln, lag der Fehler anderer Modelle dieser Zeit noch bei bis zu 5 Grad und in etwas älteren Tafeln lag der Maximalfehler für Merkur sogar bei 12 Grad.
1)
Astronomie von Jérôme Lalande, Band 2, S. 578, ETH-Bibliothek Zürich
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Admonitio Ad Astronomos, Rerumque Coelestium Studiosos, De raris mirisq[ue] Anni 1631. Phaenomenis, Veneris Puta Et Mercurii in Solem incursu, Johannes Kepler 1630 (Wolfenbütteler Digitale Bibliothek)
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"Mercurius in sole visus, et Venus invisa Parisiis Anno 1631" von Pierre Gassendi (Bibliothéques virtuelles humanistes)
Die Beobachtungsberichte von Quietanus und dem Unbekannten finden sich in
➤ Barrettus, Historia coelestis, 1666, ETH-Bibliothek Zürich.
Johannes Hevelius (1611 - 1687), ein Amateurastronom, beobachtete den Merkurtransit vom 3. Mai 1661, den auch Christian Huygens (1629-1695) während seines Aufenthalts in London verfolgte. In der 1662 herausgegeben Schrift "Mercurius In Sole visus Gedani", berichtet Hevelius von seinen Merkurtransit-Beobachtungen. Hevelius gelangen trotz schlechter Wetterverhältnisse sehr genaue Beobachtungen und er entdeckte, dass Merkur tatsächlich noch kleiner erscheint als Gassendi dachte.
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Johannis Hevelii Mercurius In Sole visus Gedani, Anno Christiano MDCLXI, d. III Maji, St. n. 1662, Johannes Hevelius (Bayerische Staatsbibliothek)
Beobachtungen in Wien
Der italienische Gelehrte Luigi Ferdinando Marsigli (1658-1730) beobachtete gemeinsam mit Johann Christoph Müller (1673-1721) mit Hilfe einer Camera Obscura den Merkurdurchgang vom 3. November 1697 in einem Garten in Wien. Im Jahr 1726 veröffentlichte Marsigli sein sechsbändiges Werk "Danubius Pannonico-Mysicus" über den Donauraum. Im ersten Band (Seite 47-48), finden sich die Ergebnisse seiner Merkurtransit-Beobachtungen.
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Danubius Pannonico-mysicus : observationibus geographicis, astronomicis, hydrographicis, historicis, physicis, perlustratus et in sex tomos digestus. T. 1, Luigi Ferdinando Marsigli, 1726 (Belgrade University)
In Nürnberg wurde dieser Durchgang auch von einer Frau beobachtet. Die Skizze der Astronomin und Künstlerin Maria Clara Eimmart (1676-1707) blieb bis heute erhalten.
➤ "Mercurius in disco Solari observatus, Maria Clara Eimmarta" (Zentralbibliothek Zürich)
Der kaiserliche Hofmathematiker Johann Jakob de Marinoni (1676-1755) beobachtete am 11. November 1736 einen Merkurtransit in Wien. Sein Beobachtungsbericht "Mercurius transiens per discum Solis" erschien 1738 in der Monatszeitschrift ➤
Mémoires pour l'histoire des sciences et des beaux-arts, S. 99-100 (Gallica)
Marinoni der in Udine geboren wurde, kam bereits im Alter von 20 Jahren nach Wien um hier zu studieren. Im Jahre 1728 erwarb er ein Gebäude auf der Mölkerbastei. Und 1730 errichtete er im Dachgeschoß dieses Hauses
die erste Sternwarte Wiens, die er mit vorzüglichen
Instrumenten ausstattete. Eine Beschreibung seiner Sternwarte veröffentlichte er 1745 in dem Werk ➤
De astronomica specula domestica et organico apparatu domestico (archive.org), welches er Kaiserin Maria Theresia gewidmet hatte. Diese Publikation fand große Anerkennung.
Die Marinoni-Sternwarte gab wohl den Anlass dazu, dass bereits 1733 am Jesuitenkolleg Ecke Postgasse/Bäckerstraße ebenfalls eine Sternwarte gebaut wurde. Auch dort hatte man den Merkurdurchgang des Jahres 1736 gesehen. Der Beobachtungsbericht erschien ebenfalls in der Zeitschrift ➤
Mémoires pour l'histoire des sciences et des beaux-arts, 1738, S. 101. (Gallica)
Marinoni verstarb im Jänner 1755. Seine Instrumente vermachte er dem Kaiserhaus. So wurde schließlich noch im selben Jahr in Wien auf dem Dach des unter Maria Theresia erbauten, neuen Universitätsgebäudes (heute Hauptsitz der Akademie der Wissenschaften am Ignaz-Seipel-Platz) die erste staatliche Universitätssternwarte errichtet.
Die historischen Berichte der Astronomen machen deutlich wie selten ein solcher Transit tatsächlich mitverfolgt werden kann. Der französische Astronom Jérôme Lalande (1732-1807) schrieb nach seiner am 8. November 1802 gemachten Transit-Beobachtung an Franz Xaver von Zach (1754-1832): "Meine Augen haben den Mercur zum letztenmahl gesehen."
(➤ Monatliche Correspondenz zur Beförderung der Erd- und Himmelskunde, 1803, Zach, S. 81, archive.org)
Tatsächlich war der nächste Durchgang in Europa erst wieder 1832 zu sehen.
Zwar ereignen sich 13-14 Durchgänge pro Jahrhundert, oft befindet sich der Planet zum Zeitpunkt des Transits allerdings unter dem Horizont des Beobachtungsortes. Oder er geht dort erst irgendwann während des Durchgangs auf beziehungsweise zu früh unter. In diesem Fall sehen wir das Ereignis entweder gar nicht oder nur teilweise.
Im 18. Jahrhundert waren in Europa nur 3 Durchgänge vollständig beobachtbar. Und häufig verhinderte zudem auch noch Schlechtwetter erfolgreiche Beobachtungen. Das trifft besonders auf die für unsere Breiten ungünstigen November-Durchgänge zu. So schrieb beispielsweise Maximilian Hell (1720-1792), der ab 1755 erster Vorstand der Universitätssternwarte war, in einem Brief an Placidus Fixlmillner (1721-1791), er habe den Merkurdurchgang am 12. November 1782 wegen des schlechten Wetters in Wien nicht beobachten können (➤
Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs, 15. Band, 1986). Fixlmillner selbst scheint mehr Glück gehabt zu haben. In seinem Werk ➤ "
Acta astronomica Cremifanensia : divisa in partes duas" (ETH-Bibliothek Zürich) berichtet er von 3 Merkurdurchgängen, von denen zumindest ein Teil in Kremsmünster (Oberösterreich) mitverfolgt werden konnte. Von diesen Durchgängen (1782, 1786 und 1789) war in Österreich keiner in voller Länge zu sehen.
Hells Nachfolger an der Universitätssternwarte, Franz de Paula Triesnecker (1745-1817) berichtete (in: Ephemerides astronomicae anni 1804), dass der Austritt beim Transit am 9. November 1802 aufgrund der schlechten Witterung in Wien nicht zu sehen war. Auch im November 1868 waren die Bedingungen alles andere als berauschend. ➤
Hier ein Bericht von Theodor von Oppolzer (ADS). J. J. Pohl versuchte deshalb sein Glück am Kahlenberg, wo die Beobachtungsbedingungen ein wenig besser waren. Laut Pohl zeigte sich die Stadt während der ganzen Durchgangszeit in dichten Nebel und Rauchwolken eingehüllt. ➤
Pohls Beobachtungsbericht (ADS). Dieser Transit wurde laut ➤
Littrow (ADS) auch von Paugger an der damaligen K.K. Marine-Sternwarte Pola (Istrien) beobachtet.
Selbst bei Durchgängen im Mai konnte selten der vollständige Transit beobachtet werden. Am 5. Mai 1832 verdeckten Wolken den Eintritt. Beim Durchgang im Mai des Jahres 1878 war das Wetter in Wien noch schlechter. Während auf der Wiener Sternwarte aufgrund einer kleinen Wolkenlücke zumindest der Eintritt ganz beobachtet werden konnte (
➤ Bericht von Edmund Weiss, 1878, ADS), sah
➤ Oppolzer an seiner Privatsternwarte (in der Josefstadt, Alserstraße 25) nur noch die innere Berührung. (ADS)
Beim Transit am 14. November 1907 konnte in Wien ebenfalls nur der Eintritt beobachtet werden. Eine Tageszeitung schrieb: "Das Wetter hat den Astronomen wieder einmal einen bösen Streich gespielt". ( ➤
Neues Wiener Tagblatt, 16. 11. 1907, ANNO) Bessere Bedingungen herrschten am 7. November 1914.
➤ Beobachtungen der letzten zwei Merkurdurchgänge (1907 und 1914) auf der Wiener Sternwarte, J. Holetschek, 1921 (ADS)