Bericht von der Sonnenfinsternis vom 11. August 1999

Ralf Greiner

Das Loch im Himmel - die totale Sonnenfinsternis am 11. August 1999

Für die Beobachtung wählte ich den Hof meines Schwagers Johann Lebenbauer in Pöllauberg in der Oststeiermark. Der Hof liegt am Südhang des Pöllauberges mit einer schönen Aussicht auf die Oststeiermark, im Osten und Nordosten ragt der Masenberg auf, nach Westen und Norden hin wird die Sicht durch den Pöllauberg begrenzt. Am Finsternistag wachte ich um 4.00 Uhr auf und spazierte hinaus. Der Himmel war klar, aber im Süden ging ein schweres Gewitter nieder. Gegen 6.00 Uhr zog es dann zu und ein kräftiger Landregen lies meine Hoffnung auf eine Beobachtung der Finsternis sinken. Gegen 8.00 Uhr hörte der Regen auf und es begann sogar wieder aufzuklaren. Um 11.00 Uhr war ca. der halbe Himmel Richtung Süden frei, im Westen baute sich eine riesige Haufenwolke auf, der restliche Himmel blieb mit einer mehr oder weniger dichten hohen Wolkendecke bedeckt. So hoffte ich das Beste und begann Fernrohre und Fotoapparate aufzubauen.

Mittlerweile sammelten sich auch weitere Beobachter aus dem Familienkreis und wir harrten darauf, dass die Wolken abziehen würden. Mit Sonnenfiltern, Finsternisbrillen und Fernrohren erhaschten wir durch kleine Lücken und dünnere Wolkenschichten immer einen Blick auf die Sonne die mehr und mehr vom Mond bedeckt wurde. Allein die Wolken wollten nicht weichen und bildeten einen natürlichen Sonnenfilter. Unsere Beobachterschar war auf ca. 20 angewachsen und die Kinder stoppten immer die Zeitdauer in der die Sonne sichtbar wurde. In mir machte sich langsam Enttäuschung breit, als mir klar wurde, dass wir keinen klaren Himmel bekommen werden.

Der Mond hatte die Sonne nun schon gut zu zwei Drittel bedeckt, das Licht wurde bereits stumpf und es wurde schon merklich kühler. Die Sonnensichel wurde schmäler, wir wurden immer aufgeregter aber gleichzeitig wurde auch eine beklemmende Spannung spürbar. Als die Sonne zu einer schmalen Sichel geschrumpft war wurde es rasch dunkler und auch immer stiller. Nur ein Hahn krähte laut und vernehmlich am Hof.

Dann ging es blitzschnell. Den einen Moment waren im Westen die Wolken noch hell, ein kurzes Aufblitzen kam von der messerscharfen Sonnensichel hinter ihrem Wolkenschleier, dann kam die Dunkelheit. Ein dunkler Schleier hüllte uns ein, war beklemmend spürbar. Die Wolken nahmen eine bleigraue Farbe an, die Dunkelheit war plötzlich über uns. Nach einigen erschreckten aber auch staunenden Rufen wurde es ganz still. Wir blickten zum Horizont wo sich ein überwältigendes Farbenspiel uns darbot..

Am Rand der dunklen Wolken begann es karmesinrot und über orange ins gelb verlaufend zu leuchten. Die Farben zeigten sich wie bei einem Sonnenuntergang, jedoch in verkehrter Reihenfolge. Von einem hellen Gelb sprang die Himmelsfarbe am Horizont in ein Türkis über, das bis zum Horizont reichte. Aus dem Tal hörten wir zwei Hunde bellen und jaulen, die Kühe ließen nichts von sich hören.

Plötzlich ein Schrei von meiner Frau: "Ich sehe sie! Da ist Sie! Schau!" Ich blickte nach oben. Wo gerade noch ein heller Fleck den Ort der schmalen Sonnensichel markiert hatte, schien sich ein kreisrundes Loch hinter dem Wolkenschleier im Himmel aufgetan zu haben. Das Loch war von einem weißen Kranz umschrieben von dem weiße Fäden ausstrahlten. Am Rand des Loches klebten zyklamfarben leuchtende kleine Punkte und Flecke. Für mich wirkte das Bild so, als würde der Himmel durch das Loch hineingesaugt werden. Nach einem kurzen Moment des verblüfften Starrens schnappte ich meinen Feldstecher. Hier bot sich ein einmaliges Bild. Die Protuberanzen leuchteten in der milchigen Korona hinter einem feinen Wolkenschleier in einem intensiven rosa Licht.

Plötzlich gab der rechte Mondrand weitere Protuberanzen frei und ein weißer Schimmer lies die Wolkenschicht wieder hell aufleuchten. Ich hatte die Bewegung des Mondes gesehen, bevor dieser die Sonne wieder freigab. Eine dichtere Wolkenschicht bedeckte nun die Sonnensichel, so dass wir das Ende der Totalität nur indirekt sehen konnten. Die Totalität war viel zu schnell vorbei.

Wo wir gerade standen setzten wir uns nieder, überwältigt von dem was wir gesehen hatten und redeten darüber. Wir fühlten uns alle erschöpft, wie nach einem langen Lauf. Es wurde nun schnell wieder heller und wir konnten die wärmenden Sonnenstrahlen spüren. Jetzt rissen auch mehr Wolkenlücken auf, so dass wir zuschauen konnten wie die Sonnensichel wieder größer wurde. Allerdings war das nun nicht mehr von so großem Interesse. Alles drehte sich in unseren Gesprächen noch um die Momente der Totalität.

Rückblickend lässt sich sagen, dass diese zwei Minuten der Finsternis die kürzesten meines Lebens waren. Die total verfinsterte Sonne war eine überwältigender Anblick, jedoch währte dieses Schauspiel viel zu kurz. Es schwingt auch ein bißchen Enttäuschung mit, da das Wetter für die Beobachtung nicht optimal war. So waren keine Sterne zu sehen, von fliegenden Schatten oder Diamantring keine Rede. Auch wurde es nicht so Dunkel wie erwartet. Bleibend ist jedoch ein unvergeßliches Ereignis für mich.

Ralf Greiner-Lebenbauer
16. August 1999